Wild Kitchen Project

Wild Kitchen Project

Unterwegs im Namen der Wildherrschaft

BBQ-Rub statt Wacholder, nachhaltiges Fleisch statt Antibiotika-Keule, Herzblut statt Gleichmut. Unter der Decke des Wild Kitchen Project haben sich Barbecue-Teams, Outdoor-Köche und Jäger zusammengefunden, um Wild als Alternative zu industriell produziertem Fleisch und den ganzheitlichen Umgang damit zu befeuern. Das Gemeinschaftsprojekt startete mit Rezepten und bietet mittlerweile Kochbücher, Videos und Kurse. Mit ihrem „wilden“ Fokus und ihrer modernen Herangehensweise haben sie nicht nur eine vielversprechende Nische besetzt, sondern bauen diese auch erfolgreich aus.

Stephan Berghaus

Stephan „Bonsai“ Berghaus ist Rettungsassistent und Grillexperte. Als Chef von Bonsais Wild BBQ bietet er Catering, Events und BBQ-Kurse an. Seine Grillkarriere begann mit einem Geburtstagsgeschenk seiner Frau: Der erste Weber-Grill weckte seine Leidenschaft, der Wettbewerbssiege und ein ernsthaftes Geschäftsmodell folgten. Die Expertise liegt dabei in der Familie. Vom Metzger-Großvater hat Berghaus noch selber wursten gelernt und bei amerikanischen Grillevents tritt er auch schon mal mit Frau, Tochter und Hund im Team an. 2015 gründete er mit Jana Rogge und Michael Schlecht das Wild Kitchen Project und ist seitdem als Organisator, Kommunikator und BBQ-Profi mit Herzblut dabei. In seiner Heimatstadt Wipperfürth ist er mit seinem Spitznamen Bonsai bekannter als mit seinem Geburtsnamen.

Das Wild Kitchen Project ist die zeitgemäße Antwort der teilnehmenden Teams auf Massentierhaltung und Lebensmittelverschwendung. „Wer nachhaltiges, gesundes Fleisch essen möchte, kommt an Wild nicht vorbei. Einem Reh in freier Wildbahn wird man niemals vorschreiben können, was es zu fressen hat“, unterstreicht Stephan Berghaus, Gründungsmitglied und Co-Koordinator der Initiative. „Wir haben uns aber nicht nur auf Wild spezialisiert, sondern folgen auch dem Nose-to-tail-Ansatz, versuchen also immer das ganze Tier zu verwenden.“ Deshalb schlagen sie das Wild selbst aus der Decke und kreieren Rezepte mit Innereien und Knochen. „Wir versuchen alles zu verwerten, um dem Tier als Lebewesen den größtmöglichen Respekt zu erweisen und nicht nur vermeintliche Edelstücke zu nutzen.“

Vom Bogensport zum Bestseller
Die drei Gründungsmitglieder haben sich über die 3D-Bogensport- Szene kennengelernt. Bei gemeinsamen Outdoor-Events entstand die Idee, nachhaltiges Wildfleisch, Rezepte und modernes Grillen miteinander zu verbinden. 2015 startete das Wild Kitchen Project mit vier Teams und gemeinsamen Treffen zur Rezeptkreation und Verkostung. „Wir waren von der Fülle und der Substanz der Rezepte schnell so begeistert, dass uns der Gedanke an ein Buch nicht mehr losgelassen hat“, erinnert sich Berghaus.

2016 war es so weit: Das erste Kochbuch des Wild Kitchen Project verließ mit Unterstützung von Sponsoren die Druckerei. Gründungsmitglied Jana Rogge brachte als Verlagschefin ihre Expertise ein und übernahm die Hauptkonzeption, Stephan Berghaus koordinierte die Teams und die Terminfindung, knüpfte Kontakte und half Rogge bei der Abwicklung. Von der Rezeptauswahl bis hin zum Layout wurde alles selbst gestaltet. Nach nur drei Monaten war die erste 2000er-Auflage vergriffen. Mit einem solch durchschlagenden Erfolg hatte keiner gerechnet, umso mehr diente er als Ansporn, das Projekt zu erweitern. „Wir haben zahlreiche Rückmeldungen von Jägern bekommen, die überrascht waren, was mit vermeintlichen B- und C-Cuts alles möglich ist. Aus Wildschweinhaxen wird Ossobuco, Rippchen kommen auf den Grill statt in die Luderkiste. Genau das wollten wir zeigen.“

Schon vor der Bucherstellung war das Wild Kitchen Project online aktiv, danach wurde noch intensiver kommuniziert. Über Social Media und die eigene Homepage wurden Ideen und Rezepte gepostet, dazu kamen YouTube-Clips in Eigenregie und mit Partnern. Zu Buch, Partnerprojekten und Online-Kommunikation gesellten sich Kochkurse, die die Herangehensweise des Projekts spiegeln. Pro Kurs wird gemeinsam mit den Teilnehmern Wild aus der Decke geschlagen, fein zerlegt in die im gehobenen Metzgerhandwerk üblichen Cuts und anschließend auf verschiedenste Arten zubereitet.

Wilde Herangehensweise
Die Rezepte sind weit vom gewöhnlichen Gulasch entfernt. „Wir gehen kreativ und modern an die Zubereitung, anstatt dauernd die Wacholderkanone abzufeuern. Wir nutzen beispielsweise gerne Gewürzmischungen, die man aus dem BBQ kennt.“ Aber auch traditionelle Rezepte, wie der Hasen-Sauerbraten von Berghaus’ Großmutter, werden neu adaptiert verwendet. Das Wild Kitchen Project spielt bewusst mit der Doppeldeutigkeit seines Namens. „Wild“ bedeutet auch, Experimente zu machen und neue Techniken einzusetzen – ein elementarer Teil ihres Erfolgsrezepts. „Der Hautgout, der typisch strenge Wildgeschmack, der früher durch die lange Reifung entstand, ist dank der hohen hygienischen Standards heute nicht mehr vorprogrammiert. Wildfleisch ist ein zartes, wohlschmeckendes Lebensmittel, das man mit modernen Methoden vielfältig zubereiten kann, sei es durch Sousvide-Garen, im Dutch Oven oder natürlich auf dem klassischen Grill“, insistiert Berghaus.

Waldbewohner trifft Weidependant
Der beflügelnde Erfolg des ersten Buches bot die Basis für Band zwei: 2018 erschien Wild Kitchen Project 2.0 – Wild & Weide. „Wir wollten damit nicht nur unsere Nische erweitern, sondern auch der Arbeit von ausgesuchten Landwirten Tribut zollen“, erklärt Mitherausgeber Berghaus. „Es gibt in zahlreichen Regionen Betriebe, die bei artgerechter Haltung außerordentlich hochwertig produzieren. Auch das ist nachhaltiger Fleischgenuss.“ Die positiven Rückmeldungen sprechen für sich, Buch drei ist deshalb bereits in Arbeit. Wild hergehen wird es in Runde drei im und am Fluss, erste appetitanregende Einblicke werden in den kommenden Monaten online zu finden sein.

Was gehört dazu?
Wild ist in den Kochbüchern des Projekts ein weit gefasster Begriff. Dort begegnen Lesern auch ausgefallene Gerichte wie Waschbär-Gulasch oder Fischreiherbrust in der Tortilla. Die Idee, diese miteinzubeziehen, entstand durch eine Kooperation mit dem Paul Parey Verlag, spielte dem Team aber perfekt in die Karten. „Der nachhaltige Verwertungsgedanke wird so optimal weitergedacht. Denn dadurch bekommt auch Fleisch von Tieren, die ursprünglich nicht zum Verzehr geschossen wurden, eine sinnvolle Bestimmung“, erläutert Stephan Berghaus.

Aus dem Dutch Oven: Ossobuco vom Hirsch

Zutaten

Vorder- und Hinterhaxen vom Hirsch, in dicke Scheiben gesägt, dazu die beiden Rosenstücke aus den Hinterkeulen (gesamt ca. 2,5 kg mit Knochen)

  • Butterschmalz zum Anbraten
  • 6 Stangensellerie
  • 4 Karotten
  • 4 Zwiebeln
  • 6–8 Knoblauchzehen
  • 4 große Tomaten
  • eine Tube Tomatenmark
  • 100 ml Ahornsirup
  • 1,5 Liter Rotwein
  • Rosmarin, Thymian
  • Salz und Pfeffer

Zubereitung

Bonsai: „Ich bin ein großer Fan von Schmorgerichten, und das italienische Ossobuco hat es mir besonders angetan. ‚Ossobuco‘ bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie ‚Knochen mit Loch‘ – gemeint ist der Markknochen, der der Sauce seine unvergleichliche Würze gibt.
Die Haxen vom Wild kann man beim Jäger günstig bekommen, weil sie üblicherweise kaum Verwendung finden und im traditionellen Wildfleischhandel schlecht verkäuflich sind. Wenn man ganze Keulen oder Blätter kauft, kann man darum bitten, dass die unteren Beinstücke dabeibleiben. Wenn nicht genug zusammenkommt, einfach durch Rippchen vom selben Tier ergänzen, die man ebenso günstig bekommt.
Das Gericht braucht einige Zeit zum Garen, aber vom Koch nicht viel Aufmerksamkeit. Man heizt genug Kohlen für mäßige Hitze an und schüttet sie zunächst auf einen Haufen, um darauf den Topf aufzuheizen. Jetzt werden alle Stücke mit dem Butterschmalz scharf angebraten, dabei Salz und Pfeffer darüberstreuen. Hier muss man nur ab und zu umrühren. Währenddessen können die Zwiebeln fein gewürfelt werden, die man mitsamt Tomatenmark und Ahornsirup in den Topf gibt und leicht mit anröstet. Dann kommen das gewürfelte Gemüse und die ‚homöopathische Dosis‘ Knoblauch hinzu und alles wird mit Wein abgelöscht. Es wird so viel Wein gebraucht, bis das Fleisch fast vollständig bedeckt ist.
Bei schwacher Unterhitze und mittlerer Oberhitze muss das Fleisch nun etwa 3 Stunden garen. Mehr schadet nicht. Im Zweifelsfall einfach mal eine Kostprobe entscheiden lassen. Mit genügend Geduld wird das Fleisch wunderbar zart. Ossobuco ist – wie Gulasch – ein Gericht, das beim Aufwärmen gleich noch besser schmeckt. Also keine Angst vor großen Töpfen!“

Welcome & Stay

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