Vorstellungskraft wird belohnt

Von der JVA zum Design-Hotel: Die Metamorphose des Offenburger Liberty:

In Zeitschriften, Blogs und bei Instagram – am Liberty in Offenburg kommt man nicht vorbei. Das Hotel, das in der ehemaligen Justizvollzugsanstalt der Kreisstadt sein Zuhause gefunden hat, zieht auch mehr als ein Jahr nach Eröffnung immer noch großes Interesse auf sich. Der gewagte Schritt, in einem ehemaligen Gefängnis ein Design-Hotel zu errichten, hat sich bewährt.

  • Liberty

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Darauf haben die Besitzer, die Gebrüder Funk, und ihr Team lange hingearbeitet. Beim Umbau einen gemeinsamen Nenner mit der Denkmalschutzbehörde zu finden war nicht immer einfach, erzählt Heiko Hankel, seit Januar 2018 Managing Director der Liberty Betriebsgesellschaft. „Denn wir wollten zwar Altbewährtes behalten, aber auch in der Moderne ankommen und einen hohen Standard erreichen.“ Die schmalen Milchglasfenster der Zellen beispielsweise machten schon vor hundert Jahren Insassen nicht glücklich – und somit erst recht nicht Gäste des 21. Jahrhunderts. Um einen für Hotel und Denkmalschutzbehörde akzeptablen Mittelweg zu finden, mussten die Beteiligten deshalb umdenken und haben vielfach Funktionelles in Design verwandelt. So wurden zwar großflächige neue Panoramafenster eingebaut, aber Original-Fenstergitter an passenden Stellen zur Dekoration erhalten. Die niedrigen alten Zellentüren sind nicht mehr in Benutzung, aber sie zieren die Flure als Tore zur Vergangenheit: Werden sie geöffnet, erblickt man dahinter Aufnahmen der ehemaligen JVA. Aus alten Balken, die dem Umbau zum Opfer fielen, wurden Tische gebaut. Das vorhandene Mauerwerk wurde nicht neu verputzt, sondern liebevoll freigelegt, die rötlichen Steine anschließend mit tiefblauen und grüngrauen Farbtönen kombiniert. Leder und Textilien verleihen der insgesamt industriell geprägten Gestaltung wohnlichen Charme. Um einen Stil zu finden, der gleichermaßen Historie, Design und Moderne verbindet, waren viele Diskussionen, zahlreiche Treffen und auch gemeinsames Experimentieren nötig. „Denn man musste schon viel Fantasie haben, um sich die beiden kompakten Gebäude von 1845 und 1849 als Design-Hotel vorzustellen. Um das klaustrophobische Flair der JVA komplett zu wandeln, brauchte es Genauigkeit, Beharrlichkeit und viel Kreativität. Aber jetzt stimmt sogar der Denkmalschutz mit uns überein, dass wir dafür die perfekte Lösung im Einklang mit der Geschichte gefunden haben“, berichtet Heiko Hankel stolz.

Persönlich statt förmlich

Dieses Ringen um Details hat die Basis für den Erfolg geschaffen. Und es ist die Kombination aus durchdachtem Design, Qualität und umfangreichem Service, die die Gäste überzeugt, ist sich der gebürtige Badener sicher. Dazu gehört natürlich auch die moderne digitale Ausstattung wie hotelweites WLAN oder Click & Share Bluetooth-Technik im Konferenzraum. Beim Einchecken bleibt man allerdings persönlich: „Wir machen immer ein sogenanntes Grooming“, erklärt der Hotelmanager. „Wir geleiten jeden Gast auf sein Zimmer, erklären die Technik, die Minibar, die Klimaanlage etc. Klar ist das Digitale wichtig, aber wir legen weiterhin großen Wert auf das Menschliche – ohne Allüren.“

Das kommt an. Die Unkenrufe, ein Design-Hotel könne in Offenburg niemals funktionieren, verhallen ungehört. „Viele Firmen sind froh, dass es uns gibt, denn jetzt müssen sie nicht mehr nach Baden- Baden oder Straßburg ausweichen, sondern können erstklassige Qualität in Offenburg finden“, erläutert Hankel, der schon seit 28 Jahren in der Branche tätig ist. Das Liberty hat also mehr als nur eine Nische gefunden. Es befriedigt ganz offensichtlich umfangreichere regionale Bedürfnisse. Kein Themenhotel zu sein zahlt sich aus. „Davon gibt es genug in der Umgebung, wir wollten ein High-End-Produkt.“

Herausforderungen warten auch noch im Betrieb

Natürlich ist kein Konzept von sich aus perfekt. Zum Beispiel wurde die Speisekarte schon zweimal intensiv überarbeitet, und auch der in der Urfassung vorgesehene Butler-Service wurde gestrichen. Das war für den Standort dann doch zu viel des Guten. Auch nach dem Start gibt es noch Herausforderungen. So hat der heiße Sommer das vor dem Bau angeforderte Klima-Gutachten vollständig widerlegt. Nun müssen im laufenden Betrieb 29 Zimmer mit Klimaanlagen nachgerüstet werden. Eine weitere Herausforderung ist die Hemmschwelle, die die Bezeichnung Design- Hotel mit sich bringt. „Viele Bewohner der Region trauen sich nicht ins Liberty, weil sie denken, dass man das nicht bezahlen kann“, erklärt Heiko Hankel. „Wer sich doch traut, ist dann positiv überrascht. In unserem Restaurant und unserer Bar kann man essen und trinken, ohne ein Vermögen los zu sein. Das wollen wir jetzt noch einmal verstärkt kommunizieren.“ Steigende Gästezahlen beweisen: Die Strategie stimmt. Dank schlüssigem Gesamtkonzept ist das große Experiment gelungen. Jetzt wird auf Kontinuität gesetzt und nur noch im Kleinen, zum Beispiel auf der Speisekarte, experimentiert. Viel Wert wird jedoch auch weiterhin auf die Geschichte des Hauses gelegt, betont der Direktor: „Wir werden immer ein besonderes Auge auf die Vergangenheit haben und sie am Leben erhalten. Das sind wir dem Haus und der Geschichte einfach schuldig.“

Weitere Infos: www.hotel-liberty.de

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Die Geschichte des Gebäudes in Kurzform:

19. Jahrhundert

Das Offenburger Gefängnis wird im Rahmen einer Justizreform des Großherzogs Leopold von Baden in Auftrag gegeben. Das Vorderhaus wird zwischen 1843 und 1845, das Hinterhaus zwischen 1847 und 1849 errichtet. Häftlinge werden dort erstmals sinnvoll beschäftigt mit Arbeiten im Außenbereich oder in ihren Zellen. Das Essen für die Gefangenen wird von der Frau des Oberaufsehers gekocht.

1. Hälfte des 20. Jahrhunderts

1929 wird das Gefängnis modernisiert: Elektrizität, Zentralheizung, Duschen, Waschbecken mit fließendem Wasser, eine Bibliothek zur Erbauung und Bildung der Gefangenen sowie ein WC in jeder Zelle werden installiert. Damit haben die alten Nachttöpfe ausgedient.

2. Hälfte des 20. Jahrhunderts

1971 ist eine weitere Renovierung des alten Gefängnisses dringend erforderlich. Die schadhafte alte Dampfheizung wird durch eine Ölheizung ersetzt. Außerdem entsteht ein neuer, großer Arbeitsraum, der die Zellenarbeit beendet. Schon jetzt ist klar: Diese Renovierung ist nur ein Spiel auf Zeit.

21. Jahrhundert

Ein Neubau ist aufgrund der Überbelegung und der zu kleinen Zellen und Außenbereiche nun unumgänglich. Im April 2009 eröffnet deshalb die neue JVA in Offenburg, und das geschichtsträchtige Gefängnis an der Grabenallee schließt seine Tore. 2016 beginnen nach jahrelanger Planung die tatsächlichen Rohbauarbeiten für das Hotel, im September 2017 eröffnet das Liberty.

Prospekte

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Dieser Artikel ist Teil unseres Magazins "Welcome & Stay". Gerne können Sie sich dieses downloaden. Sie finden diesen Artikel auf Seite 4-7.

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