Gastronomie trifft Kunst

Kräuterküche auf Kissenwolken und Kohleschalen:

Es ist eine verrückte Idee: Vegane regionale Bio-Küche von einem Sternekoch, der sonst niemals vegan kocht. Gerichte serviert auf verbranntem Holz oder auch direkt vom Tischtuch, in einem Gewächshaus mit Besteckgebilden, die teilweise nicht mehr im Geringsten an ihren Ursprungszweck erinnern. Und die Besucher haben einen fantastischen Abend!

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Denn so verrückt eine Idee auch klingen mag, sie funktioniert, wenn sie den Zeitgeist trifft, wenn sie neugierig macht und ihr mit Idealismus und Begeisterung Leben eingehaucht wird. So geschehen bei der Experimental Gastronomy Initiative, die Martin Kullik und Jouw Wijnsma, Gründer des Unternehmens Steinbeisser, 2012 ins Leben gerufen haben.

Real – nicht nur digital

Kullik und Wijnsma haben Erfolg, weil sie erkannt haben, wie wichtig das Erleben geworden ist. „Menschen möchten nicht mehr nur vor dem Rechner sitzen und online irgendwelche Gegenstände erwerben“, erklärt Mitgründer Wijnsma. „Wir haben Hunger nach echten, persönlichen Erlebnissen. Natürlich spielt das Digitale trotzdem eine Rolle. Unsere Events, unsere Küche, unsere Kunst eignen sich zum Beispiel hervorragend für Instagram. Aber das ist nur ein kleiner Teil davon.“

„Das Wichtige ist, gemeinsam mit anderen an etwas Aufregendem, etwas Außergewöhnlichem, etwas Erinnerungswürdigem teilzuhaben.“ Jouw Wijnsma Diesen Nerv treffen die Steinbeisser Events. Sich vegan zu ernähren ist dabei jedoch keine Voraussetzung. Im Gegenteil. Viele Teilnehmer haben keinen besonderen Bezug zur veganen Küche, sind lediglich neugierig auf das, was sie dort schmecken und erleben werden. Sie sind bereit, sich auf das ungewöhnliche Gesamtkonzept einzulassen. Und das heißt auch, Konventionen über Bord zu werfen – und den Salat vom Tischtuch zu essen.

Holz, Kohle, Stahl

Dazu kommen die Kunstwerke, diese merkwürdigen Essutensilien, die man manchmal nur mit Mühe verwenden kann, die man lachend trotzdem benutzt, mit dem Nachbarn tauscht, genau untersucht und Stück für Stück eine Beziehung zu ihnen aufbaut. Ob altes russisches Industriewerkzeug, geschwungenes Holzamulett oder filigrane Edelstahlkonstruktion – die Stücke überraschen mit ihrer Vielseitigkeit und ihrer Extravaganz, genau wie das Geschirr. Aufgeplusterte Tonkissen treffen auf feuergeschwärzte Holzdosen. Kunst zum Anfassen, zum Riechen, zum Schmecken. „Wir wollten Essgewohnheiten in Frage stellen, gewohnte Strukturen aufbrechen und auch den Umgang mit Kunst ein Stück weit verändern“, erzählt Martin Kullik, der maßgeblich für die Organisation zuständig ist.

Mit einem formalen Dinner in einem Restaurant haben die Events nichts zu tun. Das hat auch Chef Yoji Tokuyoshi überzeugt mitzumachen. Der Sternekoch war nämlich zunächst sehr skeptisch. Vegane Küche? In einem Gewächshaus? In Basel? Aber die Herausforderung hat ihn gereizt, ebenso wie die Möglichkeit, selbst zu experimentieren. Und nicht zuletzt hat ihn auch die fantastische Umgebung bezaubert: Die überquellenden Merian Gärten mit ihrer Blütenpracht – und ihrem erstklassigen Gemüseangebot.

Grün in Hülle und Fülle

So viele Zutaten wie möglich stammen aus dem garteneigenen Kräuter- und Gemüseanbau. Deshalb kam Chef Tokuyoshi auch nur mit einer Idee statt detaillierter Menüplanung in die Schweiz, um vor Ort zu sehen, was ihm für das Event zur Verfügung steht. Kürbis und Kapuzinerkresse, Paprika und Petersilie, Lauch und Liebstöckel – dank des strahlenden Sommers konnte er aus dem Vollen schöpfen. Die Speisenfolge war dementsprechend eine abwechslungsreiche, kreative und äußerst geschmacksintensive Zusammenstellung: von Getreiderisotto mit Kräutern über Wassermelonen-Paprika Carpaccio bis hin zu Topinambur-Eiscreme mit Tomaten und Feigen. Die kunstvolle Zusammenstellung auf den außergewöhnlichen Geschirrstücken war optisch und geschmacklich gleichermaßen formvollendet. Das strahlende Gesicht Tokuyoshis am Ende des Abends zeigte, dass auch er ihn genießen konnte – genau wie seine Gäste.

Angespornt von den vielen positiven Rückmeldungen aus den letzten Jahren setzen die Steinbeisser Gründer die Serie natürlich fort: Weitere Termine sind bereits fest vereinbart oder in Planung. Neben Amsterdam vom 14. bis 16. Juni steht sogar New York am 18. und 19. Mai auf dem Programm. Auch das ist ein besonderer Reiz des Events: Alles ändert sich. Mal die Stadt, mal die Location, der Koch und stets die Kunst – das Erlebte ist einzigartig. Damit bleibt der Zauber erhalten, sind die Gäste nach einem Mal nicht satt, sondern kommen gern wieder. Denn ein nächster Termin heißt eine neue Chance auf einen Abend der lebendigen Erinnerungen.


Weitere Infos: www.steinbeisser.org

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3 Fragen an Othmar Prenner

Der Künstler und Bildhauer schuf eine große Zahl der Geschirr-Kunstwerke, die beim Event in Basel genutzt wurden.

Wie kamen Sie zu dem Projekt, und warum haben Sie mitgemacht?
Ich wurde von Martin Kullik und Jouw Wijnsma gefragt, ob ich Interesse hätte, Geschirr für die Anlässe zu fertigen. Mich begeistert jede Art von Grenzgang und Experiment. Wir leben in einer zu genormten Welt, alles ist standardisiert. Diese Standards zu durchbrechen reizt mich.

 

Wie haben Sie die Holzschalen für das Event entwickelt?
Bei den Objekten hat mich die archaische und elementare Vorgehensweise der Verarbeitung interessiert. Das beginnt bereits mit den Materialien Holz, Stein und Eisen. Die Holzobjekte sind alle aus einem Stück gefertigt und werden dann im Feuer gebrannt.

Was wollten Sie die Teilnehmer erfahren lassen?
Die Arbeiten sollten vor allem überraschen. Die Erfahrung von Material und Oberfläche sollte zeigen: Es gibt mehr als einfallslose, eintönige Standards.

prospekte

Welcome & Stay

Dieser Artikel ist Teil unseres Magazins "Welcome & Stay". Gerne können Sie sich dieses downloaden. Sie finden diesen Artikel auf Seite 8-11.

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