Lesezeit: 3 Minuten

Die Neuerfindung Asiens

Einer der Grundpfeiler des Erfolgs von Miele ist die traditionsreiche Vergangenheit. Das Gleiche gilt für Gaggan Anand und sein hochinnovatives kulinarisches Werk.

Gaggan Anand spricht so schnell wie er denkt, sagt, was ihm gerade durch den Geist geht. Und das ist eine Menge.

Gaggan, der hochgewachsene pandschabische Küchenchef und Restaurantbetreiber aus Kalkutta ist in vielerlei Hinsicht größer als das Leben. Er ist der erste Inder und der zweite Asiate überhaupt, der für die Alicia Foundation gearbeitet hat, die kulinarische Forschungseinrichtung, die der legendäre Molekular-Avantgarde-Koch Ferran Adrià 2003 gegründet hat. Gaggan wird weithin als derjenige bezeichnet, der es als erster schaffte, der indischen Küche einen molekularen Spin zu verpassen. Sein in Bangkok befindliches Restaurant Gaggan, das er vor acht Jahren eröffnete, ist in diesem Jahr zum vierten Mal in Folge zum besten Restaurant Asiens gewählt worden.

In seinem Kopf entstehen fantastische Rezepte, so zum Beispiel sein charakteristisches Amuse-Bouche, mit dem ein typisches Dinner im Gaggan beginnt: eine scheinbar vollkommen schlichte Joghurt-Sphäre, die im Mund förmlich explodiert und eine ganze Reihe komplexer Gewürze freigibt. Manchmal ist es auch die Präsentation bestimmter Gerichte, die einen aufhorchen lässt. Zu einem getrüffelten Grüne-Erbsen-Püree mit Bockshornklee und Tomaten wird Lick it up von Kiss gespielt – und die Gäste sind aufgefordert, zum Refrain gemeinsam ihre Teller abzulecken.

Die Willy-Wonka-haften Gerichte, die Gaggan kreiert, tragen gemeinsam mit seiner unbesorgt-frechen Art dazu bei, dass er als verrückter, unbezähmbarer Rock-n-Roll-Star der Food-Szene gefeiert wird. Und doch steckt hinter diesem Wahnsinn Methode. Denn im Herzen all dieser Kalamitäten steckt ein moderner Küchenchef, der mit seiner Küche traditionelle Gerichte und sein kulturelles kulinarisches Erbe referenziert.

Rückbesinnung auf die Geschichte als Neuerfindung der Zukunft

Tatsächlich wird man, wenn man an einer dreistündigen Degustation bei Gaggan teilnimmt, Zeuge von zahllosen Einflüssen indischer Küchen- und Kulturgeschichte. Ein Gericht Curry zu nennen und es dann auf dem Teller in Form von rohen Jakobsmuscheln mit Schalotten, einer Sahne-Quenelle und einem Spritzer Chili und Curryblattöl zu servieren, mag manchem prätentiös erscheinen. Aber probieren geht über Studieren. Und hier ist Gaggan Weltklasse. Nicht nur durch hochmoderne Techniken in der Zubereitung, sondern vor allem durch ein tiefes, immer weiter wachsendes Verständnis seiner heimatlichen Kochkultur.  

Denn am Ende führen doch alle Spuren in die Heimat. Die Frage, was er essen würde, wenn er nur noch ein einziges Gericht bis zum Ende aller Tage bekäme, beantwortet Gaggan mit Muri Ghonto, einem einfachen, stark gewürzten, bengalischen Eintopf aus Fischköpfen und Reis. Auch seine schönste Kindheitserinnerung schlägt in diese Richtung: es ist der Gedanke an Puchka, auch bekannt als Panipuri, an die sich Gaggan am liebsten erinnert. Puchka sind knusprig gebackene Teigtaschen, die mit einer würzigen Mischung gefüllt werden. „Puchka sind scharf, süß, salzig und würzig – alles auf einmal. Das ist ein unglaublich starker Geschmack, einer, der alle Sinne gleichzeitig anschlägt.“

Mittlerweile ist er in vielen Teilen der Welt zuhause, ein Schicksal, das er selbst gewählt hat. „Ich bin ein globaler Asiate. Ich bin ein Koch aus Indien, der progressive indische Küche in Bangkok serviert und 2020 nach Japan zieht (um dort sein neues Fine Dining Konzept GohGan zu eröffnen). Viel globaler kann man eigentlich nicht sein.“ Dennoch bleiben es die indischen Aromen, die seinen Gaumen lenken und das indische Erbe, das in seinem Blut fließt und ihn antreibt. Aus diesem Grund kehrt er jedes Jahr in die Heimat zurück, um zu essen und um über Essen zu lesen, zu lernen und zu forschen. „Indien ist ein gewaltiges Land mit einer unglaublich langen und reichhaltigen Geschichte des Essens. Ich lese und forsche ununterbrochen daran“, teilt Gaggan mit.

Der zweimonatige Aufenthalt in der Alicia Foundation hat ihm die Augen geöffnet, wie Kochen als Wissenschaft funktioniert und seine Sinne befeuert, wie die modernistischen Techniken auf die indische Küche angewandt werden können. Dennoch betont Gaggan, dass Kreativität um ihrer selbst willen keinen Wert besitzt. „Rauch oder flüssiger Stickstoff oder essbare Blüten definieren keine Küche, keine Cuisine. Was Kreativität definiert, ist die Vereinfachung, die Reduktion eines Gerichtes und gleichzeitig seine immensen Aromen beizubehalten, denn diese lösen Gefühle aus und holen Erinnerungen hervor. Und dann willst du immer mehr davon haben.“

“Du musst eine starke Verbindung zu deinen Wurzeln haben und diese nutzen, um deine eigene Kochkunst zu verbessern. Lass sie sich entwickeln.“

Bereits bevor Gaggan sich der Fine Dining Szene zuwandte, war es sein erklärtes Ziel, die Art und Weise zu verändern, in der indische Küche wahrgenommen wurde.

„Früher wurde die indische Küche mit fettigen, schweren Currys gleichgesetzt, mit Naan-Brot, dass man als Katerfrühstück gegessen hat. Heute wird sie als vielseitig, geschmacksreich, minimalistisch und schön wahrgenommen, so, wie sie in meinem Menü zu finden ist. Jeder Gang hat seinen ganz eigenen Sinn, ist mit einer eigenen Erinnerung verbunden und repräsentiert wie in einer Quintessenz die Geschmäcker indischen Essens. Von einem Essen für Betrunkene wurde diese Küche zu einer aufregenden Fine Dining Cuisine – die Haltung gegenüber indischem Essen hat sich merklich gewandelt.“


Eine globale asiatische Perspektive

Gaggans radikale und gleichzeitig wohlüberlegte Neuerfindung seiner Heimatküche ist nicht nur ein Erfolg für Indien. Die internationale Anerkennung, die ihm widerfuhr, hat die Art verändert, wie die Welt ganz Asien als kulinarische Region wahrnimmt. Gourmets aus aller Welt bereisen nun eine Region, die vormals eher für ihre bodenständigen Street Food Gerichte bekannt war, um einige der weltbesten Restaurants überhaupt zu besuchen.

Besonders Gaggans unzählige Kollaborationen mit anderen Chefs und Restaurants sowie seine Gastauftritte auf Food Events rund um den Globus verstärken die Wirkung seiner Schaffenskraft noch um ein Vielfaches.

Doch gerade jetzt, wo Asien im Mittelpunkt der Rückbesinnung auf traditionelle Essens- und Kochkultur steht, könnte noch viel mehr dazu beigetragen werden, diesen nachhaltigen Trend zu stärken. „Ich versuche, andere Menschen zu motivieren, ihre eigene regionale Küche zu erforschen und zu entdecken. Dort beginnt die Geschichte deines Essens: die Geschichte der Herkunft des Gerichtes und was sich daraus machen lässt.“

“Wenn ich ein Programm gestalten dürfte, um Asien darin zu unterstützen, seine Bekanntheit als Genussregion auszubauen, dann würde ich alle angehenden Chefs dazu bringen, sich zuallererst mit ihrem eigenen kulinarischen Erbe zu beschäftigen. Anschließend können sie das Essen so gestalten, dass es dem heutigen Lifestyle gerecht wird.“

So wie sich Gaggan Anand leidenschaftlich dafür einsetzt, seine Kultur und Tradition zu bewahren und zu fördern, arbeitet auch Miele mit zahllosen lokalen Partnern daran, örtliche Bräuche und Traditionen zu feiern. Von eigens in Auftrag gegebenen Büchern, die die Verbindung zwischen kulinarischem Erbe und der eigenen Geschichts- und Familienwahrnehmung untersuchen zu Filmen, die die Verbindung zwischen kulinarischen Traditionen und Innovationen zeigen bis hin zu architektonischen Anstrengungen, ein modernes, zeitgenössisches Miele-Haus in einem historischen Umfeld zu implementieren, gibt es noch viele weitere Projekte, die die 119-jährige Firmenphilosophie von Innovation und Tradition anschaulich werden zu lassen. Denn es ist immer die Verbindung von Vergangenem und Bevorstehendem, die Kontinuität entstehen lässt – und so das Erbe an die nächste Generation weiterreicht.