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Food Forward

Die Gastronomie von morgen

Experimentierfreude, alte Tugenden, Wissensaustausch und ein Erziehungsauftrag: Zur Feier des 15. Jubiläums der „World's 50 Best Restaurants“ ermöglichen uns fünf Spitzenköche einen Einblick in die Zukunft ihrer Branche.

Als bestes Restaurant der Welt ausgezeichnet zu werden, ist Segen und Fluch zugleich: Wie soll es weitergehen, wenn man bereits an der Spitze steht? „Weitermachen wie immer“ war keine Option für Ferran Adrià, René Redzepi, Joan Roca, Massimo Bottura und Daniel Humm. Und weil die besten Köche der Welt sich nicht mit kleinen Schritten zufriedengeben, entschieden die fünf sich, ihren Zuschauern bei den #50BestTalks „Fast Forward“ eine große Portion Grandezza zu servieren.

Ferran Adrià at #50BestTalks in Barcelona

Ab an die Uni!

Für Ferran Adrià steht die Welt an der Schwelle zur Revolution. Eine Revolution, in der Kreativität und kultureller Austausch die Art, wie wir unser Essen wahrnehmen und zubereiten, von Grund auf ändern werden. Um das zu erreichen, muss Gastronomie jedoch zu einem akademischen Fach werden. Der Koch, ein Befürworter der avantgardistischen Molekularküche, geht mit gutem Beispiel voran und entschied sich vor einigen Jahren, sein preisgekröntes Restaurant El Bulli zu schließen und es in ein kulinarisches Forschungszentrum und einen „Think Tank für kreative Gastronomie“ zu verwandeln. Hier in der 3000 m2 großen ehemaligen Baumwollfabrik in Barcelona wird Adrià mit Nachwuchstalenten aller Disziplinen zusammenarbeiten, um neue Formen und Konzepte der Gastronomie zu entwickeln.

Massimo Bottura & Will Guidara

Massimo Bottura, Chefkoch des Restaurants Osteria Francescana, ist ebenfalls der Meinung, dass der Wissensaustausch zwischen Köchen und anderen Gastronomie-Berufen für die Zukunft unabdinglich ist. Dem Italiener liegt besonders eine enge, gesunde Beziehung zwischen Küche und Bauernhof am Herzen. Er ist der Meinung, dass Bauern in Zukunft mehr über die chemische Zusammensetzung und den Geschmack ihrer Produkte lernen müssen, während Köche sich mit dem Boden, aus denen ihre Zutaten stammen, auseinandersetzen müssen.

Joan Roca & René Redzepi

Zurück auf Anfang: Jäger und Sammler gesucht!

René Redzepi wählt einen ähnlich bodenständigen Weg und sieht ebenfalls den Austausch und das Weitergeben von Wissen als unendlich wichtig. Der bekannte Koch verbrachte einst sieben Wochen in der skandinavischen Wildnis auf der Suche nach ungewöhnlichen Aromen und längst vergessenen Zutaten aus der Region, und ist ein großer Befürworter der Idee, sich wieder den Ursprüngen des Kochens zuzuwenden. Jeder sollte wissen, wie und wo man in der Natur Nahrung finden kann.

Der Chefkoch des Kopenhagener Restaurants Noma hofft, seine Vision verwirklichen zu können, und dieses lang vergessene Wissen in unserer Gesellschaft, in der Kinder denken, Kakao käme von den braunen Kühen, wieder zu verbreiten. „Ein gutes Grundwissen unserer Um- und Tierwelt ist genauso wichtig, wie Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen“, fasst Redzepi zusammen, der fest davon überzeugt ist, dass dieses Wissen als eigenes Schulfach vermittelt werden sollte. Außerdem möchte er Tierwelt-Workshops und eine App namens „Vild mad“ („wildes Essen“) nutzen, um die Abenteuerlust der Menschen neu zu erwecken. Er erhofft sich, dass eine größere Wertschätzung der Natur zu weniger Lebensmittelabfällen in reichen Industrieländern führt.

Lang lebe der Kunde!

Daniel Humm ist ein weiterer Unterstützer der Idee, sich wieder auf die Wurzeln zu besinnen, doch sein Fokus liegt darin, alte Tugenden weiterer Traditionen der feinen Küche wieder zum Leben zu erwecken. Viele Profis der Branche können arrogant und reserviert sein, was den gebürtigen Schweizer und Mitinhaber des Eleven Madison Park in New York zum Nachdenken angeregt hat. Was ist der Wert eines Gerichts, wenn der Koch sich weigert, es für Allergiker anzupassen? Was passiert, wenn Restaurants Innovation so intensiv verfolgen, dass das Essen am Ende nicht mehr gut schmeckt? Solche kulinarischen „Tempel“ sollten sich auf ihren ursprünglichen Zweck besinnen, als einen Ort, an dem die Gäste sich willkommen fühlen und eine köstliche Mahlzeit ihrer Wahl genießen.

Menschliche Arbeitsbedingungen

Die Arbeitsbelastung ist ein weiterer Aspekt der in Zukunft besser bedacht werden muss. Joan Roca von El Cellar de Can Roca setzt sich wortwörtlich für die „Vermenschlichung der Gastronomie“ ein. Viele kreative Nachwuchstalente entscheiden sich gegen eine Karriere als Koch, da durch die aktuellen Standardarbeitszeiten von 16 Stunden am Tag ihr Sozialleben zu kurz kommt. Roca betont, dass, obwohl die Arbeit in einer Restaurantküche hart ist, sie nicht auf Kosten einer gesunden Work-Life-Balance geschehen sollte. Doch sind doppelte Teams in der Küche finanziell vertretbar?

Nur eines ist sicher: Nichts ist unmöglich. „In den letzten 15 Jahren gab es einen großen Wandel dabei, wie Kochen wahrgenommen wird“, sagt Ferran Adrià; ein Verweis auf das wachsende Bewusstsein bezüglich Qualität und dem Abenteuerdrang der neuen Generationen an Köchen. „Die 20-Jährigen von heute sind jetzt schon besser als wir alle zusammen ...“ Die fünf Spitzenköche sind sich einig: Die Zukunft der Gastronomie hat gerade erst begonnen ...